…sagte neulich eine Patientin von mir, die sich seit sie denken kann immer chronisch überfordert und sich damit direkt in eine Depression (oder neudeutsch „Burnout“) rein manövriert hat.
Das war sicher gut gemeint, aber ist es auch sinnvoll? Glücklich ist meine Patientin damit jedenfalls nicht. Als sie das sagte hatte sie diesen zweifelnden Ausdruck im Gesicht, schien sich nicht ganz sicher zu sein ob die Therapeutin denn nun Recht hat oder nicht.
„Was soll ich denn mit der ganzen Zeit anfangen?? Ich kann doch nicht nur rumsitzen….das bin ich gar nicht gewohnt.“ Endich mal das tun, was man sonst immer aufschiebt, weil man keine Zeit hat? Ihre Freundinnen jedenfalls beneiden sie: „Sei doch froh!“ sagen sie und „Wir können gerne tauschen!“ und „Also, ich würd gerne endlich mal wieder ausschlafen….was im Garten machen….ein Buch lesen…eine Serie schauen…“ Also wie im Urlaub. Klar, für ein paar Wochen ist das schön und dann?
Da sind nämlich noch die menschlichen Grundbedürfnisse: Bindung, Sicherheit, Autonomie…. und Kompetenz. Kompetenz heißt, ich kann was. Wenn ich etwas tue, kann ich mich kompetent fühlen. Beim Chillen, im Urlaub kann ich mich entspannt fühlen – aber nicht kompetent. Deswegen bekomme ich beim Dauer-Chillen früher oder später schlechte Laune, weil mein Bedürfnis nach Kompetenz nicht erfüllt ist. Das ist übrigens auch das Problem vieler Rentner oder Langzeitarbeitsloser…
Aber zurück zur Patientin: Ja sicher, sie überschreitet immer ihre Grenzen, mutet sich zu viel zu, hört nicht auf wenn sie erschöpft ist. So ist sie in die Depression gekommen. Jetzt soll sie mal gar nichts machen, damit das nicht mehr passiert, sich nicht mehr überfordern. Aber wie soll sie denn ihre Grenzen erkennen lernen, wenn sie nicht in deren Nähe kommt?
Kann man seine Grenzen nicht nur dann bemerken, wenn man sie erreicht?
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