Religiöser Grössenwahn

Ich hab doch nur mit meinen Eltern geredet!

…sagt der junge Mann, der von der Polizei in die Rettungsstelle gebracht wird. „Sie haben eine Bratpfanne aus dem Fenster geworfen und fast eine Passantin getroffen!“ korrigiert der Polizist. „Ja, weil die blöde Kuh da unten so geschimpft hat! Was kann ich dafür, wenn meine Eltern so weit weg sind und ich deswegen etwas lauter reden muß?“

Hmmm…..klingt erst mal nach einem leicht zu lösenden Problem. Ahnungslos frage ich: „Wo sind denn ihre Eltern?“ „Na, im Himmel!“ entrüstet sich der Mann. „Ich bin doch Jesus!“ und präsentiert sich, als wäre das völlig klar und für jeden ersichtlich. Hmmm….jetzt klingt es nach einem größeren Problem.

Dieser Mann hat offensichtlich einen Größenwahn, in diesem Fall einen religiösen Größenwahn. Er denkt, er sei Jesus. Das ist ja per se erst mal nicht schlimm – und wer will überhaupt beweisen, dass er es nicht ist… aber das führt jetzt zu weit. Für ihn jedenfalls ist alles in Ordnung, nur für seine Umwelt nicht – zumindest nicht mehr nach der Sache mit der Bratpfanne. Hätte er lieber mal die Füße still gehalten, aber das ist jetzt Fremdgefährdung und damit wird´s kompliziert. Ich werde ihn zumindest für ein paar Stunden zur Überwachung im Krankenhaus behalten müssen, was er aber vermutlich nicht gut finden wird.

In solchen Fällen versuche ich es mit gutem Zureden und das funktioniert auch meistens. Für eine Nacht hierbleiben – da sind die meisten mit einverstanden, weil sie verstehen, dass es sonst nur unnötig Ärger gibt. Und auch dieser Mann zeigt sich vernünftig und bleibt – ist ja eh schon spät, der letzte Bus ist weg, Taxi ist teuer und bei uns gibt es ein schönes Bett, drei Mahlzeiten und nette Schwestern, das ist doch auch was.

Nur behandeln läßt er sich nicht…. für ihn gibt es kein Problem. Unsere Tabletten, die seine Welt vermutlich so verändert hätten, dass sie zur Welt der übrigen 95% der Menschheit paßt, lehnt er ab. Aus seiner Sicht auch nachvollziehbar: wenn ich die Wahl habe zwischen „Jesus“ und „armer Sünder“ wähle ich doch lieber ersteres – oder?

Und so lassen wir ihn am nächsten Morgen wieder ziehen, nachdem er sich ausreichend lange absolut vorbildlich verhalten hat, denn jeder darf in „seiner“ Welt leben, solange er mit sich zufrieden ist und niemandem was tut.

Bild von Vicki Nunn auf Pixabay

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